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Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V.

Donnerstag, 24.10.2002


24.10.02 Stellungnahme des ZMD zum Gesetzentwurf der Landesregierung NRW Gesetz über das Friedhofs- und Bestattungswesen



Der Entwurf der Landesregierung zum Gesetz über das Friedhofs- und Bestattungswesen kommt den Interessen der Minderheiten in unserem Land entgegen und berücksichtigt durch seine Flexibilität die Besonderheiten verschiedener Religionsgemeinschaften und Weltanschauungen, ohne die Belange der christlichen Mehrheit unberücksichtigt zu lassen. Er gibt mehr Raum für lokale Problemlösungen im Dialog zwischen den Kommunen und der ansässigen muslimischen Bevölkerung.

Als positiv bewerten wir die Entbindung von der Sargpflicht, die fehlende Festlegung der Grabnutzungszeit und die Flexibilität bei dem frühsten Bestattungszeitpunkt.

Die sarglose Erdbestattung ist im Islam die einzige erlaubte Bestattungsart. Jede andere Art ist den Muslimen nur im Notfall als Ausnahme - zum Beispiel bei Seuchen-, Überschwemmungs- oder Erdrutschgefahr - erlaubt. Seit mehr als zwanzig Jahren wird die sarglose Bestattung aufgrund von Vereinbarungen zwischen manchen Kommunen und den islamischen Gemeinden, wie in Aachen, problemlos und umweltbewusst durchgeführt. Das Fehlen dieser Möglichkeit in vielen Gemeinden führte zum verstärkten Überführen Verstorbener in die Ursprungsländer. Dies bringt zur Zeit vermehrte soziale Schwierigkeiten mit sich, da heutzutage der eigentliche Familienverband der meisten Muslime in Deutschland ist, wo die Muslime mittlerweile in der dritten Generation leben. Dazu kommt die zunehmende Zahl der eingebürgerten Muslime (ca. 350.000) und die große Zahl deutschstämmiger Muslime (ca. 120.000).

Die Wiederbenutzung des Grabes ist im Islam im Allgemeinen erlaubt. Prinzipiell sollte man aus islamischer Sicht von der Wiederbenutzung alter Grabstätten absehen, solange kein dringender Bedarf dazu besteht. Nach manchen Lehrmeinungen und Traditionen, denen die türkischstämmigen Muslime folgen, darf die Totenruhe nicht gestört werden. Lösungs- bzw. Kompromissbedarf auf Gemeindeebene besteht weiterhin bezüglich dieser Einzelheit. Der vorliegende Gesetzentwurf lässt diese Möglichkeit in Vereinbarung mit den Friedhofsträgern zu.

Die Bestattung soll nach islamischer Tradition zum frühestmöglichen Zeitpunkt erfolgen. Im vorliegenden Gesetzentwurf sehen wir Möglichkeiten einer früheren Bestattung unter Beachtung aller medizinischen und forensischen Gesichtspunkte.

Wir bemängeln die Beschränkung mancher Rechte auf die "Religionsgemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts" sind. Diese Rechte sollten unserer Ansicht nach auf die "Religionsgemeinschaften, die die Gewähr für Dauer bieten" ausgeweitet werden. Die islamischen Gemeinden genießen nicht den Status der Körperschaft und werden ihn in absehbarer Zeit nicht erlangen können. Sie müssen aber die Belange der in Deutschland lebenden 3,2 Millionen Muslime in Bezug auf Bestattungsriten wahrnehmen. Durch die Gewährleistung der Dauerhaftigkeit können sowohl ihre Interessen als auch das öffentliche Interesse bezüglich der gesicherten Pflege und Trägerschaft geschützt werden.

Feuer- und Wasserbestattung kommen für die Muslime nicht in Betracht. Dennoch betrachten wir das Verstreuen von Asche als diskussionsbedürftig im Hinblick auf Pietät und Menschenwürde.

Eschweiler, 24.10.02